Wir alle sind Tautropfen. Unendlich. Doch immer wieder neu.
Daran musste ich heute morgen spontan denken, am ersten Tag des Monats Mai. Der Frühling kommt, morgens ist es oft kalt, aber sonnenklar, und dann sammelt sich der Tau auf den Wiesen. Sobald die Sonne an Kraft gewinnt, verdunstet er wieder, ohne sichtbare Spuren zu hinterlassen.
Die Alchimisten verwendeten Maientau bei der Herstellung von Materia prima, dem Urstoff, um daraus etwas Neues, Vollendetes zu erschaffen. Gemeint ist dabei eher ein innerer Prozess der Vollendung als ein rein physikalischer Vorgang.
Der Mai ist ein wunderbarer Monat, um etwas Neues zu beginnen. Neue Anfänge sind ohne ein vorheriges Ende, das Loslassen von etwas, nicht möglich. Das können alte Gewohnheiten sein, eine alte Beziehung, ein alter Job, alte Gedanken und Vorstellungen.
Der Tau ist das Frische und Neue, das reinigt und belebt.
Er mag auf dem Alten, das uns umgibt, wieder verdunsten. Wir sehen ihn nur am Morgen, in Form einer Idee, einem vagen Gefühl, einem Gedanken oder Geistesblitz. Dennoch hat er etwas in uns verändert. Unsere Einstellung, unsere Sicht auf die Dinge. Er hat einen Prozess in Gang gesetzt, der uns Schritt für Schritt, Tropfen für Tropfen, zu einer neuen, besseren Version unserer selbst führt.
Achten wir auf den Tau. Er zeigt uns, dass wir auf einem Weg der Veränderung sind. Manchmal ohne es zu merken.
– Mairi