Phänomen »Zeit«: Es ist relativ …

Zeit ist linear – oder doch nicht?

In unserem modernen Alltag haben wir eine gute Vorstellung davon, was Zeit ist. Wir messen sie durch eine Einteilung in Stunden und Minuten, die einen Tag ergeben. Daran richten wir unsere Arbeit und unsere Pläne aus. Die Tage summieren sich zu weiteren Maßeinheiten wie Wochen, Monaten, Jahren. Wir überblicken die Zeit mithilfe eines Kalenders. Wenn wir keine konkreten Zeitangaben machen, relativieren wir die Zeit zu einer linearen Abfolge von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Die Vergangenheit liegt hinter uns, in der Gegenwart befinden wir uns, die Zukunft wartet auf uns.

Alles ganz einfach, oder? Selbst unsere Sprache orientiert sich an einem linearen Zeitverständnis. Ich war, ich bin, ich werde sein. Geburt, Leben, Tod. Ein ewiges, unverrückbares Prinzip. Oder ist es doch komplizierter, als wir denken? Was es mit dem Phänomen »Zeit« auf sich hat, erfährst du in diesem Beitrag.

Sprache und Zeit

Wir sind derart gewohnt, auf die Uhr und in unseren Terminkalender zu blicken, dass wir uns kaum noch Gedanken über das Wesen der Zeit machen. Philosophen und Physiker mögen sich damit befassen, aber für uns ist die Zeit klar strukturiert. Unser Alltag ist durch sie vorgegeben.

Doch seltsamerweise schlägt unsere Sprache Kapriolen, wenn wir den Begriff »Zeit« definieren wollen, obwohl sie grammatikalisch einem linearen Zeitprinzip folgt. Überhaupt stehen wir dem Phänomen »Zeit« sehr ambivalent gegenüber, auch wenn uns das oft gar nicht bewusst ist.

Hier ein kleiner Überblick, was die Zeit alles so macht (oder wir mit ihr):

  • Zeit rast oder fliegt.
  • Sie arbeitet für uns oder gegen uns.
  • Sie kriecht.
  • Sie rennt.
  • Sie ist im Fluss.
  • Sie vergeht zu schnell, zu langsam oder gar wie im Flug.
  • Sie zerrinnt.
  • Sie reicht uns nicht oder ist zu kurz.
  • Sie heilt angeblich Wunden.
  • Wir nutzen sie (aber wie?).
  • Sie ist laut Einstein relativ.
  • Mal haben wir zu viel, mal zu wenig von ihr.
  • Wir nehmen sie uns einfach.
  • Wir können sie nicht vorspulen, aber auch nicht zurückdrehen.
  • Niemand kann sie ändern oder aufhalten.
  • Wir versuchen sie einzuteilen.
  • Wir können sie auch messen.
  • Sie hat sogar einen Plural.
  • Ist sie gut und alt, dann trauern wir ihr hinterher.
  • Sie holt uns ein, auch wenn manche ihr voraus sind.
  • Andere gehen einfach mit ihr mit.
  • Wir vergessen sie manchmal.
Phänomen "Zeit": Vergeht sie oder nicht? (KI Bild)

Zeit außerhalb unserer gewohnten Wahrnehmung

Mit dem Thema »Zeit« könnte man Bücher füllen. Mich hat es seit jeher fasziniert, darum spielt es auch in meinen Büchern eine große Rolle. Gerade das Fantasy- und Mystery-Genre ist prädestiniert, uns ein anderes Bild auf die Zeit zu ermöglichen.

In meinen Büchern

Wie nimmt ein unsterblicher Mensch die Zeit wahr?
In meinem Roman »Zeitläufer: Der Verborgene Raum« werden zwei Unsterbliche mit dieser Frage konfrontiert.

Hat ein Geist, eine gefangene Seele, eine Vorstellung von Zeit?
In »Requiem für einen Reaper« existieren Geister mit verschiedenen Bewusstseinsstufen. Sie können in einem gewissen Zyklus erlöst werden oder ewig in einer Zwischenwelt gefangen bleiben.

Wie erleben Wesen, die außerhalb unserer realen Welt existieren, die Zeit?
In meinem kommenden Buch mit dem Arbeitstitel »Nirgendwann« kann einer der beiden Protagonisten nur unter bestimmten Bedingungen physikalische Form annehmen und mit der Welt interagieren. Er stammt ursprünglich aus einer »längst vergangenen Zeit« und befindet sich zu Beginn an einem Ort, der außerhalb von Raum und Zeit liegt.

Zeit in anderen Dimensionen:
In meinen Büchern spielen unter anderem das Zwielicht und die Anderswelt eine große Rolle. In diesen Dimensionen kann die Zeit anders vergehen als bei uns, sofern man weißt, wie man in ihr zu navigieren hat. 

In der Tierwelt

Machen wir uns Gedanken, wie eine Maus die Zeit wahrnimmt? Oder unsere Hunde und Katzen? Ein Hundejahr beträgt sieben Menschenjahre, sagt man. Sie können ihr ganzes Leben bei uns verbringen. Für sie sind wir unsterblich. 

Ein Grönlandhai dagegen kann 500 Jahre alt werden. Fünfhundert! Im Atlantik könnte heute ein Hai schwimmen, der die Segelschiffe des berüchtigten Freibeuters Francis Drake gekreuzt hat. Oder sogar noch die eines Christoph Kolumbus.

Was würde der Hai über uns Menschlein denken? Macht er sich Gedanken über die Vergangenheit oder die Zukunft oder lebt er einfach im Moment? (Ich tippe auf Letzteres.)

Ihr seht, es ist kompliziert mit der Zeit. Denn obwohl sie für uns scheinbar eindeutig ist, zeigt sie sich doch in unendlich vielen Facetten, wenn wir genauer hinschauen.

Exkurs: Zeitvorstellung im Alten Ägypten

An dieser Stelle möchte ich einen kurzen Auszug aus meinem Roman »Zeitläufer: Der Verborgene Raum« einfügen, denn darin erläutert der fiktive Ägyptologie-Professor und Kulturwissenschaftler Arthur Camus, nebenbei Mitglied einer Geheimgesellschaft, in einem Vortrag das Wesen der Zeit im Alten Ägypten:

»Für uns bildet die Zeit eine Linie, eine klar gegliederte, konstante Abfolge von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die Ägypter dagegen stellten sich die Zeit als ein vielfach geflochtenes Seil vor oder als einen Kreis, in Grabdarstellungen gerne symbolisiert durch eine Schlange, die ihren eigenen Schwanz verschlingt. Vielen von Ihnen dürfte dieses Symbol geläufig sein. Die Griechen nannten die Schlange später ›Ouroboros‹, was sinngemäß ›die ihren Schwanz Verzehrende‹ bedeutet. Diese Schlange, bzw. der Kreis, stellt das totalitäre Prinzip einer kosmischen Zeit dar. Ich sollte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass die alten Ägypter Begriffspaare zu benutzen pflegten, um eine Ganzheit auszudrücken. Das Reich als politische Einheit von Ober- und Unterägypten umschrieben sie als ›die beiden Länder‹ oder ›die beiden Ufer‹. So verwundert es auch nicht, dass sie zwei Worte – Neḥeḥ und Djet – benutzten, um die Fülle der Zeit in ihrer Gänze zu erfassen. Neḥeḥ ist die Zeit der Veränderung, der Ablauf der Tage, Monate und Jahre in einer ewigen Wiederkehr. Ein Zyklus, wenn Sie so wollen. Djet dagegen kennt keine Veränderung, keine Bewegung, sondern verkörpert die ewige Fortdauer eines vollendeten Prozesses, ewig während und unendlich.«

In der altägyptischen Kultur gab es zwei wesentliche Zeitbegriffe: Nḥḥ und Djt

𓅘𓎛𓇳𓎛 und 𓆖

In Umschrift liest es sich nḥḥ und ḏ.t, im Deutschen wird es in etwa Neḥeḥ bzw. Nechech und Djet ausgesprochen.

Die beiden Worte werden gern mit »Zeit« und Ewigkeit« übersetzt und mit zyklischer und linearer Zeit gleichgesetzt. Aber ganz so einfach ist es nicht.

Eher kann man bei Neḥeḥ von einer vergehenden Zeit sprechen, die zyklisch ist, doch ebenso linear, denn sie schreitet vorwärts. Eine weitere Übersetzung für Neḥeḥ ist »Zeitfülle«.

Unter Djet dagegen versteht man eine immerwährende Zeit oder eine Zeitlosigkeit, die ohne Bewegung ist.

Für die zyklische Zeit stehen symbolhaft das Vergehen und Wiederkehren der Tage, Monate und Jahre, Aussaat und Ernte, Leben und Sterben, für die immerwährende Zeit stehen die Pyramiden oder das Jenseits, die beide gewissermaßen aus der Zeit entrückt sind.

Natürlich werden auch unter Ägyptologen die beiden Zeitbegriffe unterschiedlich ausgelegt und übersetzt. Zudem gibt es über ein Dutzend weitere Begriffe für Zeit, jedoch werden Neḥeḥ und Djet meist in Kombination verwendet, um die Zeit in ihrer kosmischen Dimension zu beschreiben. Die obige Erläuterung ist für mich persönlich am schlüssigsten. Die Figur des Professor Camus’ hat diese Erklärung der Zeitvorstellung von mir übernommen, ich wiederum habe sie von meinem Ägyptologie-Professor an der Uni gelernt. Hier könnte ich also von einer zyklischen Anwendung von Wissen sprechen ;-).

Wir haben in unserer Kultur zwar ebenfalls weitere Zeitbegriffe, wie zum Beispiel das Wort »Ewigkeit«, aber in unserer Vorstellung ist Ewigkeit eher mit einer stetig fortlaufenden Zeit verbunden, also einer ewigen Fülle von vergehender Zeit. 

Die alten Ägypter richteten ihren Alltag am Rhythmus der Natur und an ihrer Vorstellung eines Jenseits oder Nachlebens aus. Hier möchte ich noch einmal Professor Camus zitieren:

»Die Ägypter waren sich ihrer eigenen Vergänglichkeit wohl bewusst, aber sie glaubten auch an die Unsterblichkeit. Eine Unsterblichkeit, die nach dem Tode auf sie wartet, diesen überwindet und damit auch die Zeit – unveränderlich und vollendet. Die Pyramiden als Symbol der Sterblichkeit des Menschen und zugleich seiner Unvergänglichkeit führen uns dieses Doppelgesicht der Zeit vor Augen. Um es in einem abschließenden Satz zu formulieren: Erst das Zusammenwirken einer sich wandelnden und einer vollendeten Zeit erschafft das, was wir als Wirklichkeit des Kosmos erfahren. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!«

Und wir? Wir schieben das Sterben und den Tod in eine nicht fassbare, jedoch unvermeidbare Zukunft, während wir unseren Alltag an einer Uhr und einem Terminkalender ausrichten. Ist das nicht erschreckend?

Phänomen »Zeit«: Messen ist nicht gleich Begreifen

Sobald wir genauer hinsehen, was Zeit wirklich ist, stehen wir vor einem Rätsel. Das beginnt schon mit einer einfachen Frage: 

Was ist die Gegenwart? Ist sie der der heutige Tag oder das Jahr? Die gegenwärtige Zeitepoche, gemessen an unserer Lebenszeit? Oder ist sie der aktuelle Moment, der bereits wieder vorbei ist, sobald wir den Gedanken daran gedacht haben?

Wie können wir überhaupt einen singulären Moment erfassen und woraus besteht er? Wenn wir ihn messen, ist er bereits wieder vorbei und sobald wir ihm einen Dauer verleihen, stülpen wir ihm eine Definition oder ein Konstrukt über. Der singuläre Moment besitzt keine Maße wie Länge, Breite, Höhe. Ist er überhaupt existent? Ist er ein Quantenteilchen? Hat er Energie oder Masse oder irgendetwas anderes Greif- und Messbares?

Atomuhren messen die Zeit anhand der Schwingungsfrequenz von Atomen und sind dadurch äußerst präzise. Damit können wir Nanosekunden (0,000 000 001 s) und noch kleinere Sekundeneinheiten messen. 

Die kleinste mathematisch beschreibbare Zeitintervall in der Physik ist die sogenannte Planck-Zeit, benannt nach dem Physiker Max Planck (1858 – 1947). Die Planck-Zeit ist eine winzige Einheit, die auf fundamentalen Konstanten der Natur basiert, wie der Gravitationskonstante, der Lichtgeschwindigkeit und dem reduzierten Planck’schen Wirkungsquantum. 

Aber ab hier wird es viel zu kompliziert. Denn in diesem Beitrag soll es um das Wesen der Zeit gehen und nicht um ihre Messbarkeit, die am Ende nur mathematischer Natur ist.

Zeit ist unvorstellbar (KI Bild)

Zeit in der Quantenphysik

Die Quantenphysik hat uns ganz neue Vorstellungen der Zeit eröffnet, die sich zum großen Teil mit spirituellen Vorstellungen decken, wie sie auch in fernöstlichen Lehren wie dem Hinduismus tradiert werden.

Wenn man es ganz vereinfacht halten möchte, dann gibt es in der Quantenphysik keine Zeit. Alles ist jetzt, alles ist gleichzeitig. Eine Idee der  Quantenphysik ist das Superpositionsprinzip, das besagt, dass ein quantenmechanisches System sich in einer gleichzeitigen Kombination verschiedener Zustände befinden kann. 

Ihr kennt sicher das Gedankenexperiment von »Schrödingers Katze«. Vereinfachte Version: Eine Katze ist gefangen im einem Kasten mit einer giftigen Substanz. Die Substanz wird mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit automatisch freigesetzt werden. Erst wenn wir im Kasten nachsehen, können wir feststellen, welcher Zustand der Katze – tot oder lebendig – eingetreten ist. (Zum Glück handelt es sich für die arme Katze nur um ein theoretisches und kein praktisches Experiment. ;-))

In der Dimension der Zeit kann nach dieser Theorie ein Teilchen verschiedene zeitliche Zustände einnehmen. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sind damit im Prinzip nur unterschiedliche, sich überlagernde Zustände. Erst unsere Beobachtung versetzt sie einen einen konkreten Zustand.

Schrödingers Katze (KI Bild)

Fazit: Was ist Zeit?

Diese Frage wir wohl niemand eindeutig beantworten können. Zeit hängt von unserer kulturellen Prägung, unseren Erfahrungen und unserer Wahrnehmung ab. Wir können sie objektiv durch eine Einteilung in Intervalle messen, die sich im Wesentlichen an der  Erdrotation orientieren bzw. an der Schwingungsfrequenz von Atomen. Anhand von Beobachtungen und im täglichen Erleben können wir sie wahrnehmen. Aber können wir sie verstehen?

Ich persönlich halte Zeit für ein Konstrukt, das uns erlaubt, uns in unserer dreidimensionalen Realität zu bewegen und miteinander zu interagieren. Der physische Teil unseres Daseins ist ihr unterworfen, das übergeordnete Bewusstsein, der immaterielle Teil von uns, jedoch nicht, denn er existiert unabhängig von unserer vergänglichen Existenz innerhalb der Materie. 

Für jemanden, der glaubt, dass Bewusstsein vom Gehirn erzeugt wird, ist diese Erklärung vermutlich schwer nachzuvollziehen. Dabei zeigt uns doch gerade die Quantenphysik, dass erst unsere Beobachtung eine bestimmte Art von Realität erzeugt und nicht umgekehrt.

Das Thema »Bewusstsein und Quantenphysik« ist allerdings derart komplex, dass ich es lieber ein einen gesonderten Beitrag behandeln werde.

Für mich ist Zeit eines der faszinierendsten Phänomene unserer Zeit (pun intended:). Wir nehmen sie als selbstverständlich, können sie jedoch nicht erklären. Mit unseren gängigen Sinnen nehmen wir nur einen winzigen Teil von ihr wahr, doch selbst dieser lässt unendlich viel Spielraum für Interpretation und Ambiguität, wie unsere Sprache beweist.

Was also ist Zeit? Ich weiß es nicht.

Die Zeit wird es zeigen. 

Vielleicht.

Eure Meinung

Habt ihr euch mit dem Phänomen »Zeit« bereits einmal auseinandergesetzt? Möglicherweise seid ihr fasziniert von Zeitreisen? Es gibt jede Menge unerklärliche Phänomene, Erlebnisse und Mystery-Rätsel im Zusammenhang mit Zeit, die ich in der Zukunft (haha) noch aufgreifen möchte. Über die »Titanic« und wie ihr Untergang möglicherweise vorhergesehen wurde, habe ich bereits geschrieben.

Schreibt mir doch mal in die Kommentare, was Zeit für euch bedeutet und wie ihr sie wahrnehmt oder was euch besonders daran interessiert.

Postscriptum

Möchtet ihr euch weiter inspirieren lassen? Dann schaut gern bei meinen Büchern vorbei. Oder folgt mir auf Instagram.

Abbildungen sind mit KI erstellt (Midjourney AI).

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