
Manche Autoren erschaffen Welten voller Licht und Hoffnung. A.E. Schikora macht das Gegenteil. Sie führt ihre Leser in die Schatten, dorthin, wo die Grenzen zwischen Traum und Albtraum verschwimmen. Wo Figuren – und manchmal auch Leser – nicht mehr wissen, was real und was Einbildung ist.
Aber woher kommt diese Faszination für das Dunkle? Wie weit sind wir bereit zu gehen, sei es als Autor oder als Leser? Und vor allem: Wie viel von der Autorin steckt in ihren düsteren Welten?
Mit A.E. Schikora habe ich darüber gesprochen, wie sich die Welt ihrer Bücher und unsere überschneiden.
Inhalt
ToggleDer Mensch A.E. Schikora
MC: Wie würdest du dich als Mensch beschreiben?
A.E.S: Tatsächlich würde ich mich selbst als positiven und fröhlichen Menschen beschreiben. Die Leute denken oft, dass ein Mensch, der so düstere Geschichten erfindet und heikle Themen behandelt, selbst eine finstere Natur sein muss. Nach dieser Logik müsste jeder Thriller-Autor ein Psychopath oder Serienkiller sein.
Ich würde sagen, dass ich ein Mensch bin, der sich auch über die Unscheinbaren Dinge freut, einer, der versucht, mit Humor und Freundlichkeit durchs Leben zu kommen. Lachen ist so viel schöner als Weinen. Nichtsdestotrotz steckt natürlich trotzdem manchmal ein kleiner Emo in mir. Und das ist ok.
MC: Wenn du hören könntest, was deine Freunde über dich sprechen, wenn du nicht im Raum bist – was denkst du, würden sie über dich sagen?
A.E.S.: Wow, das ist eine fiese Frage! Aber ich denke, sie würden sagen, dass ich ein Mensch bin, auf den man sich verlassen kann. Sie würden aber auch auf meinem kindischen Humor und meiner Klugscheißerei rumreiten. Und dass ich manchmal ein sturer Esel sein kann. Ich nehm mich selbst nicht so ernst und bin für jeden Quatsch zu haben.
Ein Schattenmann und die Grenze zwischen Wahn und Realität
MC: Gibt es ein zugrunde liegendes Motiv oder Thema, das sich durch deine Bücher zieht?
A.E.S.: Drama, psychologische Themen, die Grenzen zwischen Wahnsinn und Realität. Ich verwebe gerne Dinge: Wie Realität und Fiktion. Oder diverse Genre. Ich mag es düster und gleichzeitig phantastisch. All das zieht sich durch meine Werke.
MC: Auffällig ist die psychologische Tiefer deiner Figuren – sie können oft nicht zwischen Wahn und Realität unterscheiden. Es bleibt dem Leser überlassen, was er für wahr erachtet und was nicht. Was fasziniert dich an diesen psychischen Abgründen? Und warum oder inwieweit lässt du offen, was real ist?
A.E.S.: Mich hat Psychologie schon immer fasziniert. Ich finde es unfassbar spannend, wie komplex und dadurch schrecklich labil unsere Psyche ist. Der Verstand kann einerseits Unglaubliches leisten und andererseits ist er so erschreckend anfällig.
Die Frage nach der Realität ist auch gar nicht so einfach zu beantworten, wie man meistens denkt. Jeder von uns lebt seine ganz eigene Wahrheit. Dieselbe Situation kann von unterschiedlichen Menschen vollkommen anders wahrgenommen werden, wodurch verschiedene Wahrheiten entstehen.
MC: In deinem Buch »Josephines Albtraum« begegnen wir dem »Schattenmann« – einem Wesen, das eine tiefe Urangst in uns anzusprechen scheint. Es erinnert mich an die Shadow People, von denen weltweit immer wieder berichtet wird, aber auch an die Sagengestalt des Alp. Was hat dich zu der Figur inspiriert?
A.E.S.: Mein »Schattenmann« ist angelehnt an die deutsche Schreckfigur des Schwarzen Mannes. Ich erinnere mich, dass ich als Kind jenes Fangspiel dazu selbst gespielt habe. Ich kann gar nicht mehr genau sagen, was mich dazu inspiriert hat, da die eigentliche Romanidee tatsächlich schon 15 Jahre alt ist. Damals ging der Roman noch in eine andere Richtung, doch im Laufe der Jahre hat er sich in meinem Kopf weiterentwickelt und an Dinge und Ereignisse angepasst, die ich miterleben musste. Der Schattenmann wurde zu meinem persönlichen Sündenbock. Er hat mir ein Stück weit geholfen, Situationen, die sich nicht mehr ändern lassen, zu akzeptieren.
MC: Hast du selbst schon einmal eine unheimliche Erfahrung gemacht oder etwas erlebt, das du dir rational nicht erklären kannst?
A.E.S.: Die Antwort wird dich vielleicht überraschen: Nein. Ich selbst war noch nie Zeugin einer paranormalen Aktivität und dafür bin ich, ehrlich gesagt, sehr dankbar, denn ich bin total der Schisser! Dafür gibt es in meinem Familien- und Bekanntenkreis tatsächlich auffällig viele Menschen, die scheinbar unerklärliche Ereignisse erlebt haben. Ich bin mir nie sicher, was ich davon halten soll. Aber ich ahne, dass dieses Universum mehr zu bieten hat, als das, was wir sehen können. Es gibt so vieles, das kaum begreifbar ist, so viel Magie. Das Leben selbst ist ein krasses Wunder. Nur, weil wir etwas nicht sehen können, heißt das noch lange nicht, dass es nicht da ist.
Hoffnung ist wie das Licht einer Laterne, die in einer dunklen Gasse den Weg erleuchtet. Sie nimmt der Nacht die Dunkelheit.
Zitat aus »Josephines Albtraum«
Das Spielt mit Wirklichkeit und Fiktion
MC: Was ist deine Sicht auf die Welt? Glaubst du an eine objektive Realität, die unabhängig von uns besteht? Oder glaubst du, dass wir unsere Realität selbst erschaffen? Oder etwas dazwischen? Und wie beeinflusst diese Weltsicht dein Schreiben?
A.E.S.: Sowohl als auch. Es gibt die Welt der unumstößlichen Fakten wie »Das Haus brennt«, Punkt. Eine Wahrheit, der keiner widersprechen kann. Und dann gibt es noch das, was wir draus machen. Ein jeder von uns kann seine Realität selbst beeinflussen: Durch sein Gedankengut, durch seine Reaktionen, sein Handeln. Das ganze Leben besteht aus Aktion und Reaktion. Wir entscheiden (bewusst oder unbewusst), wie wir einem Fakt gegenübertreten, entscheiden, was wir daraus machen. Wir können entscheiden, ob uns das abgebrannte Haus in den Abgrund stürzt oder ob wir darin eine Chance sehen, etwas neues zu erschaffen.
Und diese Sichtweise beeinflusst natürlich auch mein Schreiben. Meine Figuren sind einem unumstößlichen Fakt ausgeliefert, aber sie selbst entscheiden, was für eine Art von Realität daraus resultiert. Auf die Art lässt sich jeder Spieß umdrehen … wenn man nur will.
MC: Meine Romanfiguren sprechen gern mal mit mir und entwickeln ein Eigenleben. Sie sind sich ihrer selbst bis zu einem gewissen Grad bewusst. Im literarischen Fachjargon nennt man das Metalepse (ich habe darüber in einem Artikel geschrieben). Aber wie ist das für dich? Wie real sind deine Figuren, wie »entstehen« sie?
A.E.S.: Bis auf ein paar wenige Ausnahmen kann ich sagen, dass jede Figur ein Stückchen meiner Selbst innehat. Die eine mehr, die andere weniger: eine Eigenschaft, eine Erfahrung, ein Charakterzug, gewisse Vorlieben oder Abneigungen. Am Anfang gibt der Plot die Figuren vor, doch sobald die Handlung Fahrt aufnimmt und die Figuren plastischer werden, dreht sich der Spieß plötzlich um. Jetzt sind es die Figuren, die die Richtung bestimmen. Und ja, dann sprechen die Figuren tatsächlich schon mal mit mir, wie: »Alte, das würde ich niemals sagen! Überdenk das bitte mal!«
MC: Hast du das Gefühl, dass deine Geschichten dich verändern? Oder umgekehrt?
A.E.S.: Auf jeden Fall. Mein Debüt »Josephines Albtraum« hat mich dazu gebracht, viele persönliche Hürden zu meistern, hat mir geholfen, über mich hinauszuwachsen. Ich hab viel über mich selbst gelernt, neue Fähigkeiten und ein neues Selbstvertrauen erworben. »Der Fluch von Schwarzglas« hat das alles gestärkt und mir auf einer tiefen psychologischen Ebene gezeigt, was mich persönlich beschäftigt. Wie gesagt … ich bin ein Hobby-Psychologe 😉
A.E. Schikoras Fantasy-Welten
MC: In welche Richtung werden sich deine kommenden Bücher entwickeln?
A.E.S.: Ich arbeite bereits am nächsten Projekt und kann schon verraten: Es wird wieder ein zeitgenössischer Dark Fantasy Roman. Tatsächlich werde ich mit diesem Werk einen Knotenpunkt schaffen, der alle meine Geschichten miteinander verbindet. Sie alle bekommen ein Zuhause in einem Universum, das diverse Dimensionen und Welten beinhaltet. Es schlägt Brücken zwischen meiner irgendwann kommenden High Fantasy-Saga, meinem mittelalterlichen Schauermärchen, und den Geschichten, die in unserer Gegenwart spielen. Und natürlich wird es auch hier wieder düster zugehen, es wird phantastisch sein und psychologische Themen ansprechen.
Das Böse ist eine Krankheit. Bist du infiziert, zerfrisst sie dich. Bis nichts mehr übrig bleibt.
Zitat aus »Der Fluch von Schwarzglas«
MC: Was wünscht du dir als Mensch für dein persönliche Zukunft oder die Zukunft unserer Gesellschaft?
A.E.S.: Mir persönlich wünsche ich, dass mich niemals die Faszination verlässt, die Schreiben auf mich ausübt. Ich hoffe, dass mir meine Geschichten auch in Zukunft helfen können, mein Leben zu verdauen und das Beste draus zu machen. Schreiben ist Therapie. Punkt.
Für die Gesellschaft wünsche ich mir mehr Selbstreflexion. Ich glaube, dass die Welt ein viel schönerer und freundlicherer Ort wäre, wenn die meisten Menschen nur eine Minute am Tag darüber nachdenken würden, wie sie sich anderen gegenüber verhalten und welche Reaktionen unsere Handlungen auslösen können. Das Leben kann gefährlich und grausam sein, aber wenn wir wollen, dann können wir die Welt zu einem schönen Ort machen … für uns selbst und für andere.
Vielen Dank A.E. Schikora für das Gespräch!
Die Autorin A.E. Schikora
A.E. Schikora schreibt düstere Phantastik. Ihre Geschichten schlagen einen Bogen zwischen Dark und Urban Fantasy, Dystopie und Horror.
Ihr Debüt »Josephines Albtraum« führt den Leser in eine finstere Zwischenwelt voller Alpträume und Wahnvorstellungen.
Am 05.12.2025 ist ihr zweiter Roman, die Gothic Novel »Der Fluch von Schwarzglas«, erschienen – ein dunkles Schauermärchen, das seinesgleichen sucht.
Bücher von A.E. Schikora
Der Fluch von Schwarzglas (Klappentext):
Ein verwunschenes Schloss. Eine rätselhafte Prinzessin. Ein Held ohne Herkunft.
Einst war Schwarzglas der Stolz des Königreiches. Heute vergiftet es das Land, wandelt fruchtbaren Boden in Sumpf und Wälder in die Heimstatt von Hexen und Kreaturen der Nacht.
Seit 13 Jahren lastet ein Fluch auf dem Schloss am Rande der Welt. Ein Fluch, der seine Prinzessin innerhalb seiner kalten Mauern gefangen hält. Mauern, die eine Bestie beherbergen, die mit tödlichen Krallen nach jedem wagemutigen Puls greift.
Dem ruhmreichen Held, der den Fluch bricht, sei die Hand der wunderschönen Herrin von Schwarzglas gewiss.
Gewiss sei ihm jedoch auch der Tod und jenes, das noch schlimmer ist als ein simples Dahinscheiden.
Erschienen am 5.12.2025
Josephines Albtraum (Klappentext):
Der Vater liegt im Koma, der Großvater sitzt in der Psychiatrie fest, ein jedes Gespräch mit der Mutter artet in Streit aus – Josephine Koenigs hat es nicht leicht. Schaurige Träume und zunehmend eigenartige Ereignisse lassen die junge Frau an ihrem Verstand zweifeln.
Was sie nicht weiß:
Sie wurde auserkoren.
Von IHM.
ER wird sie holen.
Auf der Flucht vor ihren Albträumen verliert sich Josephine in der düsteren Vergangenheit ihrer Familienhistorie. Einer Geschichte voller Geheimnisse, Tragödien und dem Schlüssel zum Reich der Schatten …
Erschienen am 14.11.2024
A.E. Schikora über sich
»Mit 12 las ich zum ersten Mal Stephen Kings ‚ES‘ und bin seitdem ein großer Fan des Schaurigen und Spannenden. Ebenso liebe ich die atemberaubenden Welten epischer Fantasyliteratur. Diese Vorlieben spiegeln sich in meinen Werken wider, die auf die eine oder andere Art eine Hommage an die Helden meiner Kindheit sind.«
Nach dem Abitur absolvierte A.E.Schikora, geboren 1989, eine Ausbildung zur Mediengestalterin und arbeitete zehn Jahre in der Medienbranche. Heute ist sie selbstständige Kleinunternehmerin und wagte 2024 mit »Josephines Albtraum« ihr Debüt. Mit Mann und Kind lebt die Schriftstellerin im Herzen des schönen Hegaus, liebt die Natur, Wanderungen und Rockkonzerte. Darüber hinaus interessiert sie sich für Psychologie und menschliche Abgründe und ist ein absoluter Hundefreund.
A.E. Schikora auf Instagram: @a.e.schikora
A.E. Schikoras Motto
»Man wirft doch nicht ein ganzes Leben weg, nur weil es ein wenig beschädigt ist.« Zitat aus dem Film »Seabiscuit – Mit dem Willen zum Erfolg«
Ein Satz, den man auf alles im Leben anwenden kann und einfach wahr ist. Nichts muss vollkommen ist, um einen Wert zu haben.
Bilder mit freundlicher Genehmigung der Autorin | © A.E. Schikora
Verfasst von
Mairi Carlsson
"Glaube nicht alles! Aber glaube, dass alles möglich ist." Das ist mein Motto für alle Lebenslagen. Während meine Figuren behaupten, ich sei nur ein literarischer Geist, sammle ich mysteriöse Phänomene und Hinweise darauf, dass unsere Welt Teil von Imagiya ist. Ob ich wirklich existiere oder nur träume zu existieren? Gute Frage ...

Liebe Mairi, lieben Dank für diesen wundervollen Blogartikel! Der ist wirklich wunderbar geworden deine Fragen haben mir sehr viel Spaß gemacht, gerne wieder
Liebe Angie, ich habe zu danken! Und es war mir ein Vergnügen. 🙂