Nachdem ich mich ausführlich mit euren primitiven Kommunikationsgeräten beschäftigt habe, bin ich nun auf ein noch faszinierenderes Phänomen gestoßen: Ihr nutzt diese Geräte hauptsächlich, um euch selbst zur Schau zu stellen. Wie Pfauen. Nur ohne die natürliche Eleganz. »Social Media« nennt ihr das.
Diese »sozialen Medien« sind im Grunde digitale Theaterbühnen, auf denen jeder von euch gleichzeitig Schauspieler, Regisseur und Publikum ist. Ihr inszeniert euer Leben, als wäre es ein Drama von kosmischer Bedeutung. Spoiler: Ist es nicht.
Besonders amüsant finde ich die Obsession mit »Likes« – kleinen herzförmigen Symbolen, die angeblich Zuneigung ausdrücken. In früheren Zeiten brauchten die Menschen keine Herzchen, um zu wissen, wer sie schätzte. Sie merkten es daran, dass sie sich nicht gegenseitig umbrachten, wenn sich die Gelegenheit bot. Viel ehrlicher, wenn ihr mich fragt.
Ihr teilt Bilder eures Essens, eurer Haustiere, eurer Füße am Strand. Als würde das irgendwen interessieren! Früher dokumentierten nur Historiker und Gelehrte das Alltägliche und das auch nur, wenn es von Bedeutung für Kultur und Brauchtum war (oder ihren jeweiligen Monarchen). Wissen verschafft Vorteile. Aber heute glaubt jeder Barbar, sein Frühstück sei von historischer Relevanz. Die Arroganz ist beeindruckend.
Am faszinierendsten ist jedoch eure Gier nach »Followern« – Menschen, die freiwillig euren Selbstdarstellungen folgen. Ihr sammelt sie wie Trophäen. Zu meiner Zeit hatten wir, die Unvergänglichen, auch Anhänger, aber die haben wenigstens etwas dafür bekommen. Schutz, Weisheit, manchmal auch nur ihr Leben. Ihr bietet Bilder von eurem Kaffee.
Mein unnützer Seelenwahrer Adam glaubt, mir diese »Algorithmen« erklären zu müssen – unsichtbare Kräfte, die bestimmen, wer was zu sehen bekommt. Klingt verdächtig nach Magie, aber ihr nennt es Technologie. Typisch. Ihr werdet von Zaubersprüchen kontrolliert und merkt es nicht einmal.
Das Ironische: Ihr nennt es »sozial«, aber alle starren nur auf ihre eigenen Profile. Echte Gesellschaft entsteht, wenn Menschen sich in die Augen blicken, nicht wenn sie Bildschirme anstarren. Aber vielleicht ist das euer Ziel? Eine Gesellschaft von Einsiedlern, die sich für vernetzt halten?
Übrigens, die Risse im Zwielicht werden durch diese konstante digitale Selbstbespiegelung nicht kleiner. Nur so als Warnung.
Wer mehr über meine wahre Geschichte erfahren möchte, sollte Mairi Carlssons Bücher lesen. Ihr Zwielicht-Newsletter enthält gelegentlich nützliche Informationen. Den Rest findet ihr auf Instagram – ja, die Ironie ist mir bewusst.
Wie immer schießen Sie ein wenig über das Ziel hinaus, mein Lieber. Social Media muss man nicht mögen, aber es hat auch seine guten Seiten. Es bringt Menschen rund um den Globus in Verbindung, die in früheren Zeiten niemals die Chance gehabt hätten, sich kennenzulernen. Dadurch kommt ein kultureller Austausch zustande, der Verständnis und Miteinander stärken kann. Das war und ist zu jeder Zeit eine besondere Errungenschaft.
Die Kunst liegt darin, sich nicht abhängig von Algorithmen zu machen. Dazu werde ich in Kürze meinen eigenen Beitrag verfassen (und zwar ein wenig gehaltvoller und höflicher formuliert als der Ihre).
Nun, Madame Mercer, die Leser werden entscheiden, ob Ihr Beitrag gehaltvoller ist. Allerdings bezweifle ich, dass die meisten überhaupt einen Unterschied merken werden. Auch die Gehirnkapazität von euch Menschen scheint in den letzten Jahrhunderten stark abgenommen zu haben …
»Verständnis und Miteinander«? Dass ich nicht lache. Haben Sie sich jemals die Kommentare in den »sozialen« Medien durchgelesen?
*augenroll* Kannst du nicht einmal nett zu anderen sein?
Warum?
Lieber Solon Weltengänger, ich stimme Ihnen zu! Sie haben gut erkannt, die der Hase läuft. Sie halten uns den Spiegel vor. Aber eine Sache sollten Sie noch wissen: Diese Kommunikationsgeräte dienen nicht nur der Unterhaltung und Zur-Schau-Stellung, sondern mehr und mehr auch zur Kontrolle und zur Überwachung. Und ich kann mir vorstellen, dass du Wesen, die diese Überwachung vorantreiben auch irgendwo auf der anderen Seite des Zwielichts ihr Unwesen treiben. Was denken Sie?
Ah, Lea schon wieder. Du verfügst über skeptisches Denken, das gefällt mir. Etwas, das rar geworden zu sein scheint in dieser Zeitepoche. (Nun, um ehrlich zu sein, war es schon immer recht eingeschränkt bei euch Menschen.)
In der Tat können die Kommunikationsgeräte zu perfekten Kontrollinstrumenten ausgebaut werden. Von jeher ging es euren Herrschenden um Macht und Kontrolle. Schüre die Ängste der Menschen, lenke ihre Aufmerksamkeit, indem du das Narrativ bestimmst und Feindbilder erschaffst – so haben es Könige und Priester seit jeher gehalten. Oder eure Politiker. Divide et impera. Die Mittel können sich ändern, die Mechanismen sind die gleichen.
Aber als Mensch denkst du zu kurz, denn die Mächtigen unter euch sind selbst nur Marionetten von Kräften außerhalb eurer bewussten Wahrnehmung. Das Netz ist viel größer, als du es dir vorstellen kannst. Ihr sprecht in diesem Zeitalter der Algorithmen von einer Matrix. Einige von euch erkennen es bereits. Auch du ahnst es, wenn du von „Wesen auf der anderen Seite des Zwielichts“ sprichst. Doch nur wenige schaffen es, diesem Netz zu entfliehen. Ich wünsche dir viel Glück dabei. Du wirst es brauchen. (Die Risse im Zwielicht sind nur die Vorboten dessen, was auf euch zurollt.)
auch ich habe einen Schreibfehler gemacht und kann meinen Post nicht überarbeiten. Da wird Ihre Autorin und inzwischen Lektorin Mairi Carlsson wütend werden…
Du sprichst von einem Wesen, das gar nicht existiert. Vielleicht war ich voreilig, als ich dir skeptisches Denken attestiert habe …
Die nicht-existente Autorin und Lektorin nimmt das mittlerweile alles gelassen. In dem Job braucht man ein dickes Fell. 😀