Das Carrington-Event: Der Mega-Sonnensturm, der die Erde erschütterte

Das Carrington Event - Mega Sonnensturm von 1856 (KI)

An kalten Herbst- und Wintertagen macht sie sich rar: die Sonne. Wer freut sich nicht, wenn sie zwischen den Wolken hervorbricht? Sie wärmt und macht gute Laune, sieht schön und schillernd aus – und ist aus der Ferne täuschend ruhig. Doch alle 11 Jahre lässt sie so richtig die Sau raus, und das geht nicht immer gut aus. Das Carrington-Ereignis von 1859 markiert den stärksten geomagnetischen Sturm in der aufgezeichneten Geschichte. Und während wir uns aktuell einem neuen  Sonnenmaximum nähern, stellt sich die Frage: Sind wir auf eine Wiederholung vorbereitet?

Der Sonnenzyklus: Ein kosmischer Rhythmus

Um das Carrington-Event zu verstehen, müssen wir zunächst den Sonnenzyklus betrachten. Die Sonne durchläuft etwa alle elf Jahre einen Aktivitätszyklus, der von einem Minimum zu einem Maximum und wieder zurück führt. In dieser Zeit kehren sich die Pole der Sonne vollständig um. 

Während des Sonnenmaximums nimmt die Anzahl der Sonnenflecken zu. Die Sonne ist dann voller Energie. Vielleicht hat sie aber auch eine Erkältung mit starkem Husten, wer weiß das schon. Die Folge sind Sonneneruptionen und koronale Massenauswürfe (CMEs). Wir sprechen hier von Plasma in einer Größenordnung von mehreren zehn Milliarden Tonnen Masse, das in den Weltraum geschleudert wird. Wenn wir Pech haben, direkt in unsere Richtung.

Die Erde bekommt dann Schnupfen in Form von geomagnetischen Stürmen. Diese Stürme entstehen, wenn der Sonnenwind, d.h. der Strom geladener Teilchen von der Sonne, mit dem Magnetfeld der Erde interagiert.

Das Carrington-Event: Als der Himmel Feuer spuckte

Am 1. September 1859 beobachtete der Astronom Richard Carrington eine ungewöhnlich große Gruppe von Sonnenflecken. Plötzlich bemerkte er zwei intensive Lichtblitze über den Flecken – und sollte damit Zeuge des Startschusses für den größten geomagnetischen Sturm der aufgezeichneten Geschichte werden (und hatte nebenbei die große Ehre, Namensgeber für dieses historische Ereignis zu werden).

Bereits am nächsten Tag, etwa 17,6 Stunden nach Carringtons Beobachtung, traf die erste solare Schockwelle die Erde. Dies war außergewöhnlich schnell, da solche koronalen Massenauswürfe (CMEs) normalerweise zwei bis drei Tage bis zur Erde benötigen. Doch das war erst der Anfang. In den folgenden Tagen folgten weitere Eruptionen, die den geomagnetischen Sturm verstärkten und verlängerten. Das Ereignis erreichte seinen Höhepunkt am 2. September und hielt in abgeschwächter Form bis zum 5. September an. Insgesamt dauerte das Carrington-Event also etwa vier Tage – und das Spektakel, das es verursachte, war beispiellos in der Geschichte der Weltraumwetterbeobachtung.

Das Carrington-Event - Sonnensturm über London (KI)

Folgen des Events: Mehr als nur durchgebrannte Sicherungen

Stellt euch vor, ihr sitzt gemütlich in eurem Salon in London, nippt an eurem Tee und plötzlich fängt der Himmel an zu brennen. Kein Scherz! 

  • Nordlichter, die normalerweise nur in hohen Breitengraden zu sehen sind, waren plötzlich bis in die Karibik und in Kolumbien sichtbar.
  • Menschen in den Rocky Mountains wurden mitten in der Nacht von einem Himmel geweckt, der so hell war, dass sie dachten, es sei Morgen.

Aber das war nur die Lightshow. Der echte Spaß begann erst:

  • Telegrafensysteme weltweit spielten verrückt. Funken sprühten aus den Geräten, setzten Papier in Brand und gaben Telegrafisten Elektroschocks. 
  • Obwohl die Telegrafen-Betreiber ihre Geräte daraufhin vom Stromnetz nahmen, konnten diese allein mit der induzierten Spannung des Sonnensturms betrieben werden. Kostenlose Energie? Klingt nach einem Traum für Verschwörungstheoretiker! (Ich gehöre auch dazu.)
  • Es gab Berichte von Kompassnadeln, die wie wild herumwirbelten. Stellt euch vor, ihr seid Kapitän eines Schiffes und plötzlich zeigt euer Kompass Richtung »überall«.

Die moderne Perspektive: Was wäre, wenn...?

Was würde passieren, wenn ein Carrington-Ereignis uns heute treffen würde? Sagen wir mal so: Es wäre mehr als nur ein paar Tage ohne Netflix. Verschiedene Szenarien sind denkbar:

Moderate Auswirkungen:

  • Störungen in Satellitenkommunikation und GPS-Systemen
  • Temporäre Stromausfälle vor allem in Regionen mit älteren oder weniger robusten Stromnetzen
  • Fluggesellschaften müssten Flüge umleiten, um Kommunikationsprobleme und erhöhte Strahlung zu vermeiden.

Schwerwiegende Auswirkungen:

  • Massive, langanhaltende Stromausfälle durch Überlastung und Beschädigung von Transformatoren
  • Ausfall kritischer Infrastrukturen, einschließlich Wasser- und Abwassersystemen
  • Zusammenbruch von Kommunikationssystemen, einschließlich Internet und Mobilfunk
  • Massive Störungen in Lieferketten und im globalen Handel, was zu Lebensmittelengpässen und möglichen sozialen Unruhen führen könnte

Wenn wir ganz viel Pech haben, werden wir in die Steinzeit zurückkatapultiert, leider ohne die praktischen Überlebensfähigkeiten unserer Vorfahren.

Eine Studie von Lloyd’s of London aus dem Jahr 2013 schätzte, dass ein schweres geomagnetisches Ereignis in Nordamerika zwischen 600 Milliarden und 2,6 Billionen US-Dollar kosten könnte, mit einer Erholungszeit von 4 bis 10 Jahren.

Sonnensturm trifft auf Satelliten (KI)

Exkurs: Das solare Maximum

Im Allgemeinen dauert ein solares Maximum etwa 2 bis 4 Jahre. Es handelt sich dabei nicht um einen einzelnen Spitzenpunkt, sondern eher eine Periode erhöhter Aktivität. Während dieser Zeit schwankt die Sonnenaktivität mit mehreren Höhepunkten und leichten Rückgängen. Die Dauer kann von Zyklus zu Zyklus unterschiedlich sein. Einige Maxima können kürzer (etwa 1 bis 2 Jahre), andere länger (bis zu 5 Jahre) ausfallen.

Zuletzt kam es in Deutschland 2003 durch einen magnetischen Sturm zu Ausfällen satellitengestützter GPS-Dienste. Aktuell befinden wir uns im 25. Sonnenzyklus – und er ist deutlich stärker als prognostiziert. Wann genau das solare Maximum des aktuellen 11-jährigen Zyklus erreicht wird, lässt sich erst im Nachhinein mit Sicherheit sagen. Möglicherweise befinden wir uns bereits mittendrin (Stand Oktober 2024) oder erreichen es in der ersten Jahreshälfte 2025. 

Von einem Sonnensturm der Stärke des Carrington-Events sind wir jedoch noch weit entfernt (und bleiben das hoffentlich auch). Denn selbst wenn eine starke Sonneneruption auftritt, muss sie nicht notwendigerweise in Richtung Erde zeigen. Dies erklärt, warum wir trotz zunehmender Sonnenaktivität nicht ständig von schweren geomagnetischen Stürmen betroffen sind.

Man könnte es mit einem kosmischen Gewitter vergleichen: Nur weil man Blitze am Himmel sieht, heißt das nicht, dass man auch vom Blitz getroffen wird.

Sind wir vorbereitet oder sitzen wir auf einer tickenden Zeitbombe?

Nun, die gute Nachricht ist, dass Wissenschaftler und Regierungen das Problem erkannt haben. Die schlechte Nachricht? Wie bei vielen globalen Bedrohungen sind die Vorbereitungen … sagen wir mal, suboptimal.

Einige Maßnahmen, die ergriffen wurden:

  • Verbesserte Sonnenbeobachtung und Frühwarnsysteme
  • Härtung kritischer Infrastrukturen gegen elektromagnetische Pulse
  • Entwicklung von Notfallplänen für den Fall eines massiven Sonnensturms

Aber reicht das aus? Viele Experten bezweifeln das. Mehrere Satelliten im All beobachten das Weltraumwetter schon seit Jahren. 

Dadurch können Wissenschaftler eine Sonneneruption zeitnah erkennen und die anfängliche Richtung des koronalen Massenauswurfs bestimmen. Diese Vorhersagen geben aber nur eine grobe Schätzung ab, ob und wann der CME die Erde treffen könnte. 

Präzise Daten für das Eintreffen können jedoch erst 15 bis 60 Minuten vorher gemessen werden. Hier kommt zum Beispiel die Raumsonde DSCOVR (Deep Space Climate Observatory) zum Einsatz, die seit 2015 an einem strategischen Punkt zwischen Sonne und Erde positioniert ist und als »letzte Wache« vor ankommenden Sonnenstürmen dient.

Um die nötigsten Vorkehrungen zu treffen (z.B. Satelliten aus dem Schussfeld zu manövrieren, Flugzeuge umzuleiten oder die Generatoren von Energiekonzernen auf weniger anfällige Leistungen herunterzufahren), ist eine Vorwarnzeit von mehreren Tagen erforderlich. Aktuell existieren weder eine internationale Koordination noch einheitliche globale Schwellenwerte zur Ergreifung der Maßnahmen.

Warnungen werden u.a. vom  NOAA’s Space Weather Prediction Center herausgegeben, sodass Betreiber kritischer Infrastrukturen abhängig von ihren Protokollen entsprechende Vorkehrungen und Maßnahmen treffen können.

Sonneneruption (KI)

Unser Schutzschild: Das Erdmagnetfeld

Es ist wichtig zu wissen, dass wir uns in einer Phase befinden, in der das Erdmagnetfeld, das uns vor starken Weltraumstrahlungen schützt, besonders schwach ist. Dadurch sind wir noch anfälliger gegenüber einem Sonnensturm als zu früheren Zeiten. 

Die aktuelle Schwächung des Erdmagnetfeldes könnte auf eine bevorstehende Polumkehr auf der Erde hindeuten, die anders als auf der Sonne nicht alle 11 Jahre, sondern im Schnitt nur alle 250.000 Jahre stattfindet – mit unbekannten Konsequenzen. Und der nächste Polsprung der Erde ist längst überfällig.

Fazit: Zwischen kosmischer Bedrohung und Schlafmodus

Das Carrington-Event von 1859 war ein Weckruf, den wir erst jetzt, über 160 Jahre später, wirklich zu hören beginnen. Es zeigt uns, wie verletzlich unsere technologieabhängige Zivilisation gegenüber den Launen unseres Zentralgestirns ist. Und mit jedem Jahr, das unsere technologische Entwicklung voranschreitet, unser Leben immer abhängiger von computergesteuerten Systemen wird und wir gleichzeitig immer unselbständiger in unser Versorgung, wachsen die Konsequenzen, sollte ein Carrington-Event 2.0 uns treffen.

Während wir uns dem nächsten Sonnenmaximum nähern, ist es an der Zeit, dass wir uns der Bedrohung durch extreme Weltraumwetterereignisse bewusst werden. Dies erfordert nicht nur technologische Lösungen, sondern auch ein breiteres öffentliches Verständnis, v.a. durch transparente Kommunikation und Information, und politischen Willen.

Aber lasst uns mal nicht in Panik verfallen. Wer weiß denn schon, was uns als nächstes trifft: Ein verheerender Sonnensturm? Der Ausbruch eines Supervulkans? Oder ein Asteroid?

Vielleicht benötigen wir als Menschheit einfach mehr Respekt und Bewusstsein, dass wir nicht die Krone der Schöpfung sind und ein Husten der Sonne oder ein starker Rülpser von Mutter Erde uns schon morgen den Garaus machen kann.

So ist das eben. 🙂 Ich für meinen Teil beobachte die Aktivitäten auf der Sonne regelmäßig – nicht mit Angst, aber mit großer Spannung. Und falls demnächst euer Handy streikt oder euer Lieblingsfilm auf Netflix mittendrin abbricht, wisst ihr jetzt, woran es liegen könnte.

Eure Meinung

Na, wie vorbereitet seid ihr auf den nächsten großen Sonnensturm? Schon Konserven und Toilettenpapier gehortet? Oder hört ihr jetzt zum ersten Mal davon? Verratet es mir in den Kommentaren!

Postscriptum

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Abbildungen sind mit KI erstellt (Midjourney AI).

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