Banshee: Irlands mysteriöse Todesfee & ihre Geschichte

Teaser Banshee Todesfee mit silbernem Haar und roten Augen

Stellt euch einen nebligen Abend in einem alten irischen Herrenhaus vor. Der Wind heult um die moosbedeckten Mauern. Plötzlich durchdringt ein markerschütternder Schrei die Dunkelheit – eine Mischung aus Wolfsgeheul und dem Wehklagen einer Frau. Die Dienerschaft bekreuzigt sich. Sie wissen, was dieser Schrei bedeutet: Die Banshee ist gekommen, um den Tod anzukündigen.

Die Gestalt der Banshee hat mich schon immer fasziniert. Nicht nur, weil sie in meinem Buchuniversum IMÂGIYA eine Rolle spielt (wer Requiem für einen Reaper gelesen hat, weiß, wovon ich spreche), sondern weil sie so einzigartig in der irischen Folklore im Speziellen und die keltischen Mythologie im Allgemeinen ist. 

Die Legende der Banshee ist untrennbar mit der irischen Geschichte verbunden. Aber ist sie wirklich die gefürchtete Todesbotin, als die sie oft beschrieben wird? Oder steckt hinter der »Todesfee« eine tiefere Bedeutung? 

Schauen wir sie uns genauer an.

Was ist eine Banshee: Bedeutung und Ursprung

Der Name „Banshee“ stammt aus dem Irischen »bean sídhe« (ausgesprochen etwa »bän-schie«), was wörtlich übersetzt »Frau aus den Hügeln« oder etwas freier »Frauenwesen aus dem Feenreich« bedeutet. Diese Bezeichnung weist bereits auf ihre Herkunft hin: Die Banshee gehört zu den Sídhe (verkürzt von Aes Sídhe), den mythischen Nachfahren der Túatha Dé Danann – jenes geheimnisvolle Volk, das der Legende nach Irland vor den Menschen beherrschte und sich später in die Anderswelt zurückzog.

Erste schriftliche Erwähnungen finden sich im späten 14. Jahrhundert, Erzählungen über sie sind jedoch weitaus älter und können ins 8. Jahrhundert zurückverfolgt werden. Sie erscheint zunächst als beschützender Geist bestimmter Familien, vornehmlich der alten gälischen Geschlechter, deren Namen mit O‘ oder Mc beginnen. Auch soll sie den sicheren Übergang des Verstorbenen vom Leben in den Tod gewährleisten. Erst im Laufe der Jahrhunderte wandelte sich ihre Rolle vom Schutzgeist zur gefürchteten Todesfee – möglicherweise ein Resultat der christlichen Umdeutung vorchristlicher Traditionen.

In der schottischen Tradition ist sie auch als „bean nighe“ bekannt, die „Waschfrau“, die an einsamen Flüssen die Gewänder jener wäscht, die dem Tode geweiht sind. Was beide Erscheinungsformen verbindet: Sie sind keine Todesbringerinnen. Sie kündigen den Tod lediglich an, können ihn aber weder verursachen noch verhindern. 

Eine Besonderheit der Banshee-Tradition ist ihre exklusive Bindung an bestimmte Familien. Als eine Art übernatürliche Ahnfrau galt ihr Erscheinen nicht als Fluch, sondern als eine Form der Ehrerbietung – nur die edelsten Familien konnten sich einer eigenen Banshee rühmen.

weinende Banshee am Fluss

Erscheinungsformen der Banshee: Aussehen und Eigenschaften

Die Erscheinung der Banshee ist so facettenreich wie die irischen Legenden selbst. Die Überlieferungen beschreiben sie mal als junge, wunderschöne Frau mit langem silberweißem oder rotem Haar und einem grünen Mantel, mal als gebrechliche Greisin mit wirrem grauem Haar, gehüllt in ein weißes Leichentuch. Ihre Augen sind oft gerötet vom endlosen Weinen um die Toten.

Ihr charakteristischstes Merkmal ist jedoch ihre Stimme. Der Klagegesang der Banshee wird als unverwechselbar beschrieben: ein durchdringendes Wehklagen, das sich zu einem markerschütternden Schrei steigern kann. Die Berichte sprechen von verschiedenen Arten des Klagens – vom leisen, melodischen Weinen bis zum schrillen »caoine« (dem traditionellen irischen Totengesang; engl. »keening«). Besonders in ländlichen Gegenden Irlands soll dieser Ruf noch heute zu hören sein, meist in der Nacht vor dem Tod eines Familienmitglieds.

Die Banshee erscheint bevorzugt in der Dämmerung oder um Mitternacht, oft in der Nähe des Hauses der betroffenen Person. Manchmal wird sie auf einem niedrigen Ast sitzend gesehen, wo sie ihre Haare mit einem silbernen Kamm kämmt. Der Anblick einer kämmenden Banshee gilt als besonders unheilvolles Zeichen. Andere Berichte erzählen von ihrer Erscheinung an Gewässern, wo sie die Totenhemden der Sterbenden wäscht – eine Verbindung zur schottischen bean nighe.

Interessanterweise soll die Banshee nur von bestimmten Menschen wahrgenommen werden können. Während einige sie deutlich sehen, hören andere nur ihren Ruf, und manche spüren lediglich eine unheimliche Präsenz. Dies hat zu der Vermutung geführt, dass die Fähigkeit, eine Banshee wahrzunehmen, selbst eine Art vererbte Gabe sein könnte oder auf bestimmte Familien beschränkt ist.

Die Wahrscheinlichkeit, dass ihr einer Banshee begegnet, ist daher recht gering.  😉

irische Todesfee mit roten Augen

Historische Sichtungen und Berichte

Die Banshee-Tradition ist tief in der irischen Folklore verwurzelt und wurde über Jahrhunderte hauptsächlich mündlich weitergegeben – von Generation zu Generation, von Geschichtenerzählern zu ihren aufmerksamen Zuhörern an den Kaminfeuern der irischen Landhäuser und in den Pubs der kleinen Dörfer. Wie bei vielen Elementen der keltischen Mythologie ist es schwierig, den genauen Ursprung der Überlieferungen zeitlich einzuordnen. 

Eine der ersten Banshee-Sichtungen aus erster Hand steht in den Erinnerungen der Lady Anne Fanshawe (1625 – 1676, erstmals publiziert 1829), die ausführlich über die unheimliche nächtliche Begegnung berichtet und sie als in Weiß gekleidete Frau mit rotem Haar und bleicher Haut beschreibt.

Schriftliche Dokumentationen von Banshee-Überlieferungen finden wir unter anderem bei Lady Jane Wilde, der Mutter Oscar Wildes. In ihrer 1887 veröffentlichten Sammlung »Ancient Legends, Mystic Charms and Superstitions of Ireland« beschreibt sie detailliert die Tradition der Banshee und ihre Verbindung zu den alten irischen Familien.

Besonders wertvoll sind auch die Aufzeichnungen des irischen Historikers und Volkskundlers Thomas Crofton Croker. In seinem 1825 erschienenen Werk »Fairy Legends and Traditions of the South of Ireland« sammelte er systematisch die mündlichen Überlieferungen der ländlichen Bevölkerung über die Banshee.

Moderne Berichte über Banshee-Sichtungen sind spärlich und schwer zu verifizieren. Zum einen haben viele der alten irischen Familien ihre Stammsitze verlassen oder sind ausgestorben. Zum anderen ist der Glaube an das Übernatürliche in unserer modernen Zeit stark zurückgegangen.

Heißt das, Banshees gibt es nicht? Diese Frage wird euch niemand verlässlich beantworten können. 💀

Banshee mit weißem Haar

Die Banshee in der Populärkultur

In der modernen Populärkultur trifft man die Banshee für gewöhnlich als eine schreckliche Erscheinung oder kreischende Todesfurie an. Ihren mythologischen Ursprüngen und ihrem komplexen Wesen wird dabei nur selten Rechnung getragen. Sie sind Stilmittel zum Zweck, zum Beispiel um Angst und Schrecken zu verbreiten.

In Requiem für einen Reaper nutzt die Banshee ihre Fähigkeit als Gestaltwandlerin. Sie ist nicht auf den ersten Blick als Todesbotin zu erkennen, bildet aber zugleich die entscheidende Verbindung zwischen der Welt der Lebenden und der Anderswelt – und damit all dessen, was uns unbegreiflich erscheint. 

In meiner geplanten Fortsetzung zu Zeitläufer: Der Verborgene Raum besitzt der Unsterbliche JL seine ganz persönliche (und ziemlich zänkische) Todesfee – auf den ersten Blick ein Widerspruch in sich. (Aber wer sagt denn, dass Unsterbliche nicht sterben können? 😉)

Meine persönliche Sicht als Phantastik-Autorin

Als Autorin fasziniert mich besonders die Ambivalenz der Banshee. Sie ist weder gut noch böse, weder Retterin noch Täterin. Für mich ist sie eine Verkörperung der keltischen Anderswelt: unbegreiflich, nicht fassbar, gefährlich, mysteriös und faszinierend zugleich. Sie repräsentiert all das, was wir nicht verstehen, so wenig, wie wir den Tod verstehen.

Interessant finde ich vor allem die Verbindung der Banshee zu bestimmten Familien. Anders als viele andere übernatürliche Wesen der keltischen Mythologie erscheint sie nicht wahllos. Sie ist eine Art spirituelle Ahnfrau, die ihre Schutzbefohlenen durch die Generationen begleitet. Diese tiefe Verbundenheit macht sie zu mehr als nur einer Todesbotin. Diesen Aspekt greife ich vor allem in der geplanten »Zeitläufer-Fortsetzung« auf.

Gerade in unserer Zeit, wo alte Traditionen immer mehr an Bedeutung verlieren (und manche Strömungen geradezu missionarisch versuchen, jegliche Tradition auszumerzen, als müsste man sich für sie schämen) finde ich es wichtig, sie zu bewahren. Und warum nicht auf die Art und Weise unserer Vorfahren? Geschichten sind schließlich so alt wie die Menschheit selbst. 

Ob man nun an die Existenz der Banshee glaubt oder nicht – ihre Symbolik als Mittlerin zwischen Leben und Tod, als Bewahrerin familiärer Bande über den Tod hinaus, hat auch in unserer »aufgeklärten« Zeit nichts von ihrer Kraft verloren.

Fazit

Der Banshee-Mythos gehört zu den faszinierendsten Überlieferungen der keltischen Mythologie. Die Banshee ist weit mehr als der kreischende Todesbote, als der sie heute oft dargestellt wird. In den alten Überlieferungen erscheint sie als Beschützerin und Mahnerin, als Bewahrerin einer uralten Verbindung zwischen den Familien und ihren Ahnen.

Vielleicht liegt gerade darin ihre bleibende Bedeutung: Sie erinnert uns daran, dass der Tod zum Leben gehört – nicht als brutaler Einschnitt, sondern als Teil eines größeren Zusammenhangs. Die Banshee steht an der Schwelle zwischen den Welten und bezeugt diesen ewigen Kreislauf.

Wenn ihr mehr über die Banshee und andere mysteriöse Erscheinungen erfahren möchtet, schaut bald wieder vorbei. Im nächsten Beitrag wird Madame Mercer ihre ganz eigene Sicht auf diese geheimnisvolle Todesfee mit uns teilen.

Postscriptum

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Abbildungen: Die verwendeten Bilder sind mit KI erstellt (Midjourney AI).

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