Kamarina: Das schwerste Schiffsunglück der Geschichte

Kamarina: Das schwerste Schiffsunglück der Geschichte (Teaser, KI-Bild)

Wer das Wort »Schiffskatastrophe« hört, denkt automatisch an die Titanic. Der Untergang des Luxusdampfers am 15. April 1912 ist nicht zuletzt durch die zahlreichen Verfilmungen in unser Gedächtnis eingebrannt. Man könnte ihren Untergang daher leicht für das schwerste Schiffsunglück der Geschichte halten. Gemessen an den Opferzahlen (1.514) ist sie jedoch eines der kleineren Unglücke der Seefahrt.

Als größtes Schiffsunglück der modernen Zeit, bezogen auf ein einzelnes Schiff, gilt der Untergang der Wilhelm Gustloff im Jahr 1945. Das Passagierschiff wurde wenige Monate vor Ende des 2. Weltkriegs von einem russischen U-Boot in der Ostsee versenkt. Die Gustloff beförderte hauptsächlich Flüchtlinge aus Ostpreußen. Die Zahl der Opfer wird auf mehr als 9.000 Menschen geschätzt.

Jedes gibt es weitaus verlustreichere Schiffsunfälle, da oftmals ganze Flottenverbände sanken, und das nicht nur zu Kriegszeiten.

Als das schwerste Schiffsunglück der Geschichte gilt nach derzeitigem Stand die Schiffskatastrophe vor Kamarina. Sie ereignete sich im Juli 255 v. Chr. in der Straße von Sizilien. Bis zu 100.000 Menschen verloren dabei ihr Leben.

Was zuvor geschah

Wir befinden uns mitten im Ersten Punischen Krieg. Rom führt erbitterte Eroberungszüge gegen die damalige See- und Handelsmacht Karthago.  In jener Zeit erleben wir Romas Aufstieg zu einer Großmacht im Mittelmeerraum.

Um Überlebende der »Schlacht von Tunes« (heute Tunis) in Nordafrika zu bergen, stach eine römische Flotte von 350 Kriegsschiffen unter Leitung zweier Konsuln für eine Rettungsmission in See. Ausgangspunkt war Syrakus auf Sizilien. Auf der Hinfahrt kaperte die Flotte zunächst 114 kathargische Schiffe, wodurch der Verband auf über 450 Schiffe anstieg.

In Nordafrika nahm man dann die Überlebenden der Expeditionsarmee auf, die ihrerseits weitere Schiffe mitbrachten. Nach einigen weiteren Plünderungen auf dem nordafrikanischen Festland trat die Flotte im Juli 255 v. Chr. den Rückzug nach Italien an.

Ein Sturm naht

Die römische Befehlshaber entschieden sich für eine Route entlang der sizilianischen Südküste, die zum Teil unter karthagischer Kontrolle stand. Man erhoffte sich dadurch weitere Beute.

Doch auf der Höhe von Kamarina, an der Südostecke Siziliens, wurde die Flotte von einem ungewöhnlich starken Sommersturm überrascht. Dabei sanken 384 der 464 Schiffe oder zerschellten an den Felsen vor der Küste. Bis zu 100.000 Ruderer, Seeleute und Soldaten starben. Unter den Ruderern dürften sich zudem viele karthagische Gefangene befunden haben. Leichen und Schiffstrümmer wurden an die sizilianische Küste gespült. Nur rund 80 Schiffe der Flotte erreichten den Hafen von Syrakus.

Versinkendes Schiff im Sturm (KI-Bild)

Nachwehen der Katastrophe

Trotz der immensen Verluste wurde die Rückkehr der Befehlshaber, die beide überlebt hatten, als Triumph gefeiert. Zwar blieb nur wenig von der Beute übrig, aber die zuvor errungenen Siege und das Zeigen römischer Stärke machten diesen Verlust offenbar wett. So schien man das Unglück allein als Ergebnis widriger Wetterumstände einzuschätzen, nicht als eine Folge falscher Entscheidungen oder schlechter Seemannskunst.

Die Römer schafften es, ihre Flotte innerhalb von nur drei Monaten wieder auf volle Stärke aufzustocken und ihre Eroberungszüge fortzuführen. Nachdem wenige Jahre später weitere 150 Schiffe in einem Sturm verloren gingen, beschränkte man die Flotte auf 66 Schiffe und konzentrierte sich zunächst auf einen Landkrieg.

Der Erste Punische Krieg (264 bis 241 v. Chr.) dauerte noch weitere 14 Jahre und endete mit einem vorläufigen Sieg der Römer über die Karthager. Diese konnten sich jedoch weiterhin als Handelsmacht im westlichen Mittelmeerraum behaupten. Zwei weitere Kriege zwischen den beiden Großmächten sollten noch folgen.

Fazit

100.000 Opfer. Ist das römische Dekadenz oder Kriegsdrama? Was ist ein Menschenleben wert? Wiegt es heute mehr als damals?

Das zu beantworten überlasse ich jedem selbst.

Für mich war es ein spannender historischer Exkurs in die Welt der Antike, denn bis vor Kurzem hatte ich noch nie etwas von Kamarina gehört. Hätte mich jemand danach gefragt, was als das schwerste Schiffsunglück der Geschichte gilt, hätte ich mit Titanic geantwortet. Oder vielleicht noch mit dem Untergang der Spanischen Armada.

Es ist der Stoff, aus dem Legenden gewebt sind. 100.000 Menschenleben. 100.000 Schicksale. Jeder einzelne Mensch hatte seine Geschichte, die für uns vergessen ist.

Möglicherweise werde ich im Rahmen meines geplanten Zeitläufer-Spin-offs eines Tages darauf zurückgreifen.

Eine persönliche Notiz

Meine Mutter floh als kleines Kind im Winter 1945 mit ihrer Mutter und mehreren Geschwistern aus Ostpreußen. Sie waren der Wilhelm Gustloff zugeteilt, aber das Schicksal verschlug sie auf ein anderes Schiff (nicht alle aus meiner Familie hatten dieses Glück). Und nur darum kann ich heute diesen Beitrag überhaupt schreiben.

Postscriptum

Hat euch der Artikel gefallen? Dann könnte euch auch dieser Beitrag interessieren: Untergang der »Titanic«: War es Bestimmung?

Hinterlasst mir gern einen Kommentar.

Und wenn ihr mehr düstere und mystische Geschichten lesen wollt, dann werft einen Blick auf meine Bücher oder folgt mir auf Instagram.

Abbildungen sind mit KI erstellt (Midjourney AI).

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert